«Es ist gut, wenn man seine Vorurteile zu Hause lässt.»
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«Es ist gut, wenn man seine Vorurteile zu Hause lässt.»
Nature Tours bietet seit Juli 2024 Reisen in den nördlichen Teil Pakistans an, für den das EDA die Reiseeinschränkungen angepasst hat. Die Autorin dieses Textes hat dennoch ein mulmiges Gefühl, wenn sie an eine Reise nach Pakistan denkt. Ist das Gefühl berechtigt? Was erlebt man in Pakistan und muss man sich speziell darauf vorbereiten, hat man sich für dieses Reiseziel entschieden? Ein Gespräch mit Nature Tours-Leiter und Pakistan-Kenner Michael Krähenbühl.
von Rahel Staudenmann, Content Managerin bei Nature Tours
Rahel Staudenmann: Ich bin ehrlich. Wenn ich «Pakistan» höre, habe ich, erst noch als Frau, ein mulmiges Gefühl. Gleichzeitig interessiert mich das Land sehr, auch wegen der wahnsinnigen Bergwelt.
Michael Krähenbühl: Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Zwar gäbe es Frauenrechte im Land, sie sind aber so gut wie inexistent. Und hinter verschlossenen Türen gehen Dinge vor sich, die absolut inakzeptabel sind. Als Reisende in Pakistan sollte man vor solchen Themen nicht die Augen verschliessen, im Gegenteil. Ich empfehle, sich schon vor einer Reise damit auseinanderzusetzen.
Wie mit dem Islam?
Ja genau. Die Menschen leben diese Religion sehr vielfältig aus, sprich die Bandbreite zwischen «dem Islam gar keine Bedeutung» und «dem Islam sehr viel Bedeutung» geben ist riesig. Nicht zu vergessen die Glaubensrichtungen: Die Mehrheit der Bevölkerung sind Sunniten, im Norden gibt es aber auch schiitisch und ismailitisch geprägte Dörfer.
In Pakistan gibt es aber nicht nur den Islam. Kaum ist man in der Hauptstadt Islamabad zum Beispiel, kommt man an einer reformierten Kirche vorbei. Oder gibt es Ausgrabungsstätten von buddhistischen Heiligtümern.
Wir sind schon mitten im Thema Vorbereitung auf eine Reise nach Pakistan. Aber noch kurz von vorne: Wie kommt es dazu, dass Nature Tours neu Reisen dorthin anbietet?
Pakistan war schon längst mein persönliches Sehnsuchtsziel, weil sich dort noch sehr wenige Tourist*innen bewegen, mich das Unbekannte reizte und es für wilde Berglandschaften steht. Letztere sind, wenn überhaupt, nur mit Nepal vergleichbar.
Mit dem Karakorum, dem Himalaya und dem Hindukusch treffen im Norden Pakistans drei gewaltige Gebirgsketten mit unzähligen, zum Teil noch unbenannten, 7000er und 8000er aufeinander. Eine Region, die nicht nur für mich, sondern auch für Nature Tours-Kund*innen spannend ist. Da wir uns aber an die Reisehinweise des EDAs halten, konnten wir Pakistan bis dato nicht anbieten.
Und nun?
Das EDA hat im Sommer 2023 die Reisehinweise für die nördlichen Regionen angepasst, in denen wir Reisen anbieten. Zum Beispiel in Gilgit-Baltistan, wo ich selbst auch war. Vor Reisen in diese Region rät das EDA nicht mehr ab.
So wie ich dich kenne, warst du trekken.
Ganz genau. Insgesamt war ich drei Wochen in Pakistan, zwei Wochen davon bin ich bis ins Base Camp des K2 getrekkt. (Anm.: Der K2 ist mit seinen 8611 Meter der höchste Berg im Karakorum und nach dem Mount Everest der zweithöchste Berg unserer Erde. Er gilt unter Bergsteiger*innen als anspruchsvoller als der Mount Everest, sogar als der schwierigste aller vierzehn Achttausender).
Dein Trekking hast du geführt gemacht, nehme ich an?
Ja. Bei Trekkings ist es fast unmöglich, sie nicht geführt zu machen. Braucht es zum Beispiel für gewisse Gebiete Permits (= Genehmigungen), die für einen eingeholt werden müssen oder sind Gepäcktransporte nötig etc.
Allgemein hat es nur Vorteile, geführt zu reisen. Zwar kommt man mit Englisch sehr gut durch, ist es doch eine landesweit gebräuchliche Sprache. Mit einem lokalen Guide aber, bekommt man noch mehr Zugang zu den einheimischen Menschen, die sich vielleicht nur in der Amtssprache Urdu oder in einer der anderen lokalen Sprachen verständigen.
Wie hast du persönlich das Land wahrgenommen?
Ich habe sehr positive Erfahrungen gesammelt und mich wohl und sicher gefühlt. Neben der gewaltigen Natur bleiben mir vor allem die Menschen in Erinnerung, mit denen ich herzliche, sympathische und auch überraschende Begegnungen hatte (siehe Pakistan-Knigge weiter unten). Sie sind freundlich, neugierig und interessiert an einem, nicht aber aufdringlich.
Ab und an waren sie auch überrascht, einen Touristen wie mich zu sehen, freuten sich aber darüber und fragten mich nach Selfies. Gerade wegen den Menschen würde ich immer wieder zurückgehen.
Wie ist es, wenn man als Frau eine gleiche Reise wie die deine unternimmt?
Nicht anders. Es ist völlig in Ordnung, wenn man als «westliche» Frau gemeinsam mit einem Guide oder auch in einer Gruppe unterwegs ist. Beides ist zwar nichts Aussergewöhnliches mehr in Pakistan, gleichwohl ist die Begleitung durch einen lokalen Guide wichtig, der sein Land, seine Bevölkerung kennt und auch mal vermitteln kann. Das gilt für Reisende jeden Geschlechts natürlich.
Allgemein ist es so, dass uns die Menschen in Pakistan nicht feindlich gestimmt sind. Demonstrationen und Aufstände sind religiös oder wirtschaftlich motiviert und richten sich nicht an Tourist*innen.
Es hilft sicher, mit einem professionellen Reiseveranstalter unterwegs zu sein.
Auf jeden Fall. Wir arbeiten mit einer etablierten und langjährigen Trekkingagentur zusammen. Mit den Mitarbeitern pflege ich mittlerweile eine freundschaftliche Beziehung. Sie kennen die westlichen Bedürfnisse und Wünsche, was zum Beispiel den Komfort und die Hygiene betreffen. Sie waren selbst schon mehrmals in der Schweiz, in Deutschland und auch in Österreich zu Besuch oder haben dort studiert.
Sie finden für jedes aufkommende Problem eine Lösung, sogar wenn es unlösbar erscheint. Von Lehm und Schutt verschüttete Strassen zum Beispiel, die erst noch geräumt werden müssen.
Das bringt mich dazu zu fragen, für welchen Reisetypen sich Pakistan eignet. Sicher muss man eine gewisse Offenheit mitbringen, weil unterwegs oft auch Unverhofftes passiert?
Ja, wie allgemein, wenn man auf Reisen ist. Es braucht nebst Offenheit auch Improvisationsfreudigkeit, weil genau, oft kommt es anders als geplant. Pakistan spricht Outdoormenschen genauso an wie Kulturinteressierte, die gerne Neues entdecken und ihre Komfortzone verlassen. Es kann, muss aber nicht, ein Vorteil sein, wenn man zuvor schon einmal in einem muslimischen Land unterwegs war.
Und zu guter Letzt: Es ist gut, wenn man seine Vorurteile zu Hause lässt.
Apropos zu Hause. Braucht es eine spezielle Reisevorbereitung für eine Pakistan-Reise?
Nein, nicht unbedingt. Wie ich eingangs erwähnt habe, macht es Sinn, wenn man sich vorab mit ein paar (politischen) Themen auseinandersetzt. Und man muss sich bewusst sein, dass sich die Fahrten in die Länge ziehen können, aufgrund der Strassenverhältnisse.
Lange fahren kann aber auch super sein, zum Beispiel auf dem berühmten Karakorum Highway, der landschaftlich und kulturell äusserst spannend ist.
Der Karakorum Highway ist zum Beispiel Teil unserer Individualreise. Magst du sie kurz erläutern?
Es ist eine Natur- und Kulturreise mit englischsprechendem Guide. Man unternimmt Tages- oder Halbtageswanderungen, begegnet einheimischen Menschen und besucht Kulturdenkmäler aus verschiedenen Epochen. Wer ein Bisschen Trekkingluft schnuppern möchte, könnte zum Beispiel ein dreitägiges Trekking mit zwei Übernachtungen im Zelt einbauen. Man übernachtet neben dem Gletscher und hat die 7000er vor der Nase …
Die Personen, die sich Trekkingluft bereits gewohnt sind, fühlen sich vielleicht eher von unserer Gruppen-Trekkingreise angesprochen.
Wie sind die Standards bei den Unterkünften?
Die sind gut und auch vielfältig. Wenn es jemand möchte, gibt es sogar Fünf-Sterne-Hotels. Wir von Nature Tours bevorzugen aber kleine, sofern möglich, familiengeführte Guesthouses. Bei den Trekkings sorgen Träger und Köche perfekt für einen, vergleichbar mit Nepal.
Eines, was mich immer interessiert in fremden Ländern ist die Küche.
Das Essen ist sehr gut! Neben Fleisch – Schaf, Ziege, Rind oder Huhn – gibt es viel Gemüse wie Kartoffeln oder Karotten aus dem heimischen Anbau. Ob den Früchten war ich positiv überrascht. Es wachsen viele Kirschen und Aprikosen, sogar Melonen.
Man gibt es dem Land gar nicht, dass es an vielen Orten auch grüne und saftige Flecken gibt. Womit wir schon wieder bei den Vorurteilen sind …
Was mich zu meiner abschliessenden Frage bringt. Wie siehst du den zukünftigen Tourismus in Pakistan?
Er kann Positives bewirken. Zum einen, was die Völkerverständigung betrifft. Die Menschen sind sehr interessiert an unserem Leben hier und unbekehrt. Es können so gegenseitig Vorurteile ausgeräumt werden.
Und sicher auch wirtschaftlich. Wir bringen Devisen ins Land oder sorgen dafür, dass die Menschen vor Ort beschäftigt werden. Da denke ich an Träger bei Trekkings, Köche oder Guides. Es ist ein sehr armes Land.
Und natürlich braucht es einen naturnahen Tourismus und es ist wichtig darauf zu achten, wie man ihn betreibt. Die pakistanische Natur ist sehr fragil und die Abfallentsorgung oder die Wasserversorgung eine grosse Herausforderung für das Land. Zwar ist China daran, in Pakistan zu investieren. Aber das muss man sicher auch kritisch hinterfragen, weil es da in erster Linie um ihre eigenen Interessen geht, wie zum Beispiel den Zugang zum Arabischen Meer.
Kleines Pakistan-Knigge von Michael Krähenbühl
Sicherheit
Reisen in die von uns besuchten Regionen Nordpakistans gelten als sicher. Das EDA hat die Reisebeschränkungen für diese Region im Jahr 2023 aufgehoben. Wir überprüfen die Sicherheitslage in Zusammenarbeit mit dem EDA und mit unserer lokalen Partneragentur laufend.
Bekleidung
Man sollte sich dezent kleiden, unabhängig vom Geschlecht. Kurze Hosen meiden, da es respektvoller ist, lange Hosen zu tragen. Das gilt auch für Oberteile. Besser keine ärmellosen wählen. Auch bei der Farbwahl empfehle ich, dezent unterwegs zu sein.
Kopftuch bei weiblichen Reisenden
Frauen tragen bei einem Moscheebesuch ein Kopftuch oder meist auch, wenn man bei einheimischen Menschen zum Tee eingeladen wird. Daher gut, wenn Frauen ein leichtes Tuch immer griffbereit haben. Die Frauen in Pakistan sind nicht verschleiert. Gleichwohl sind sie im Alltag weniger sichtbar. Zum Beispiel auf Basaren oder auch sonst in den Strassen. Und wenn, dann werden sie oft von Männern begleitet.
Es gibt übrigens sehr emanzipierte pakistanische Frauen. Ich habe in dem einen Dorf die Gemeindepräsidentin kennengelernt. Sie hat mich prompt mit einem Handschlag begrüsst. Eine grossartige Begegnung.
Backpacken, ja oder nein?
Es gibt Backbacker*innen in Pakistan. So unterwegs zu sein erfordert eine noch viel intensivere Vorbereitung, als wenn man geführt reist. Denn es gibt nach wie vor Regionen in Pakistan, in denen wir nichts verloren haben.
ÖV in Form von Überlandbussen gibt es zwar, aber da muss man sich gut durchfragen, welcher Bus nun wann und wohin fährt. Das braucht entsprechend viel Zeit. Ich denke es ist eher was für «hartgesottene» Backpacker*innen.
Reisezeit für Nordpakistan
Für eine Trekkingreise: Juni bis anfangs September. Wenn man sich nicht in Lagen von über 4000 Meter begibt, passt es auch ab zirka Mitte März bis Ende Mai.
Geld
Vor Ort gibt es Wechselstuben, in denen man seine Euro oder US-Dollar in pakistanische Rupien wechseln kann. Auf unseren Reisen schauen wir, dass die Reisenden gleich am Anfang ihrer Reise Geld tauschen. Vor Ort brauchen sie aber eigentlich nicht mehr viel Geld, weil alles schon vorab beglichen ist.
Eine Reise nach Pakistan ins Auge fassen?
Michael Krähenbühl gibt Ihnen gerne Auskunft über unsere Reisen nach Pakistan.